Zu einer gesunden Pubertät gehört eine gehörige Portion Rebellentum. Eltern werden erst “uncool”, dann peinlich. Ihre Ansichten und Werte, ihre Wünsche, ihr Aussehen, irgendwie alles. Kids müssen sich abgrenzen, anders sein, eben diese Werte anzweifeln, anprangern, rebellieren, Grenzen austesten. Völlig normal. Solch ein Puber-Tier brauch einen starken Gegner, an dem es sich reiben kann. Eben starke, entschlossene Eltern. Aber schauen Sie sich doch mal um …
Ein jetzt 40-jähriger Vater hat seine eigene Pubertät in den Achzigern durchlebt. In einem Jahrzehnt, wie es sinnentleerter nicht hätte sein können. Aber es hat Spaß gemacht, vielleicht gerade deshalb. Er war selbst ein erstes Opfer antiautoritärer Erziehung. Diesen, inzwischen 40-jährigen Ex-Popper, Punks oder Müslis, sehen sich nun auf Provokation gebürstete Teenager gegenüber. Welch ein ungleicher Kampf.
Womit soll die Jugend angreifen? Musik? Wer Exploited, PIL oder Black Sabbath aus freien Stücken hörte, für den sind Marilyn Manson, Rammstein oder auch Bushido nun wirklich keine Bedrohungen. Ganz im Gegenteil. Nichts provoziert den Nachwuchs mehr, als das dauernde “Kenn ich, das Lied. Gab´s früher schon ´mal.”, wenn Daddy wieder die aktuellen Charts nach Coverversionen und Remixes durchforstet. Und vor allem, wenn er auch noch recht hat. Das kann jeden noch so coolen Halbstarken zermürben.
Oder Kleidung? Wen schocken bitte zerrissene Hosen? In den Achtzigern trug man alte Feinripp-Unterhemden zu bemalten Springerstiefeln, gelbe Lederkravatten oder Jeanswesten mit goldenen Kawasaki-Aufnähern, Netzhemden, Cowboystiefel, Schulterposter und Schnäuzer. Nichts war zu peinlich. Was machen da schon ein paar Löcher in der Jeans?
Tattoos? Piercings? Kraftausdrücke? Kahlrasierte Köpfe? Derbe Texte? Alkohol? Joints? Gefärbte Haare? Die Kinder der Achtziger haben alles gesehen. Sie mussten nicht kämpfen, sie machten. Augen auf und durch.
Nichts lässt Papas Adrenalinspiegel in den roten Bereich schnellen. Nichts. Wie deprimierend. Noch schlimmer: Durch den um sich greifenden Jugendwahn besetzen Eltern zunehmend Positionen, die eigentlich ihren Kids vorbehalten sein sollten. Sie hören noch mit 50 die Charts, ziehen zerrissene Hosen an, essen bei Mc Donald´s, lassen sich tätowieren und wollen mit in die Disco. Ja, das ist peinlich.
Und wie reagiert die Jugend? Eigentlich ganz normal. Sie entzieht sich der Kontrolle, nur nicht wie früher an der Bushaltestelle, sondern im Chat. Und sie rebelliert. Nur leiser. Weniger spektakulär. Praktiziert bedachten Ungehorsam, kalkulierte Leistungsverweigerung. Schon fast vorsichtig. Eigentlich zu brav für einen wie mich, der in den Achtzigern mit viel Spaß erwachsen wurde.